Seit Jahren quält mich die Frage, warum manche Menschen einfach nichts dazulernen und immer wieder die gleichen Fehler machen, obwohl sie sich selbst und ihrer Umwelt dadurch nachweislich und merkbar schaden. Diese Menschen nehmen leider meistens auch NICHTS von anderen Menschen an. Im Gegenteil: Sie verstehen gut gemeinte Hinweise und Unterstüzungsangebote als persönliche Angriffe oder fürchten eine Art Konkurrenzsituation.
Ich bin nun bei Wikipedia auf den Dunning-Kruger-Effekt gestoßen, der einen Erklärungsansatz bietet: Der Dunning-Kruger-Effekt ist das Phänomen, dass inkompetente Menschen ihr Können häufig überschätzen und die Leistungen von kompetenteren Personen meist unterschätzen. Justin Kruger und David Dunning fanden heraus, dass bei Fähigkeiten, über die Menschen in höherem oder im geringen Grad verfügen können
1. inkompetente Personen dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen,
2. inkompetente Personen überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht erkennen,
3. inkompetente Personen das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht erkennen können,
4. inkompetente Personen durch Bildung nicht nur ihre Kompetenz steigern, sondern auch lernen können, sich und andere besser einzuschätzen.
Für ihre Studie wurden Dunning und Kruger 2000 mit dem Ig-Nobelpreis im Bereich Psychologie ausgezeichnet. Etwas ausführlicher als die deutsche Übersetzung ist der englische Originalbeitrag bei wikipedia.org.
Ich denke bei Punkt 4 muss die Betonung auf das Wort können gelegt werden, d. h. eine Lernkurve tritt nicht automatisch ein. Meiner Erfahrung nach ist das Eintreten einer Lernkurve vom Grad der Inkompetenz abhängig: Je größer die Inkompetenz ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass eine Lernkurve eintritt bzw. umso später tritt ein Lerneffekt ein.
Ich habe mich oft gefragt, was die Gründe für eine solch lernresistente Verhaltensweise sind. Auf den Dunning-Kruger-Effekt bezogen: Warum verhält sich der Inkompetente so, wie er sich laut Dunning-Kruger-Effekt verhält. Ich habe über die Jahre zwei Vermutungen entwickelt:
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Untere Schranke des Wissens.
Jeder kennt diesen typischen Ablauf, wenn man sich mit einem neuen Thema beschäftigt: Zunächst scheint man recht schnell vorwärts zu kommen. Irgendwann tritt dann der Effekt ein, dass, je mehr sich mit dem Thema bschäftigt wird, immer mehr das Gefühl aufkommt, erst sehr wenig darüber zu wissen. Dies liegt daran, dass gewisse Grundkenntnisse benötigt werden, um die Komplexität eines Themas richtig einschätzen zu können. Es gibt hier also eine Art unterer Schranke des Wissens, die überschritten werden muss, um eine korrekte Einschätzung über ein Thema treffen zu können.
Ich vermute, dass dauerhaft inkompetente Personen bei allen Themen mit denen sie sich beschäftigen unterhalb dieser Schranke bleiben. Da sie dadurch gar nicht wissen, was es über das Thema zu wissen gibt, lernen sie schon in einem sehr frühen Stadium nichts mehr dazu und halten das Thema für erlernt.
Die Ursachen für dieses Verhalten kann ich nur vermuten: vielleicht fehlende Nachhaltigkeit (es wird sich andauernd mit etwas Neuem beschäftigt) oder es fehlen einfach andere Grundvoraussetzung für systematisches Lernen...
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Falsche Selbsteinschätzung.
Nur wer eine realistische Einschätzung von sich selbst hat, ist in der Lage zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Auf dieses Thema bin ich bereits im Posting
Mitarbeiterführung - Teil 3.4: Mitarbeiterentwicklung - Feedback eingegangen. Es ist meine Beobachtung, dass
inkompetente Personen i. d. R. eine völlig falsche Einschätzung von sich selbst haben. Fremd- und Selbstbild sind bei diesen Personen extrem weit voneinander entfernt, für Feedback sind sie nur scheinbar zugänglich. Selbst wenn sie sich Feedback einholen, erreicht es sie nicht wirklich, da sie oft in einer Art Scheinwelt leben und/oder eine Art Tunnelblick auf die Dinge haben, wodurch es zur einer
selektiven Wahrnehmung des Feedbacks kommt.
Auch hier kann ich über die Gründe nur spekulieren: Ein möglicher Grund könnte in Unsicherheit oder fehlendem Sebstbewusstsein liegen...
Darüber hinaus beschäftigt mich die Frage, wie man mit solchen Menschen umgehen sollte und wie man für sich selbst einen Weg finden kann, mit diesen Menschen zusammen zu arbeiten ohne selbst ständig die Nerven zu verlieren. Eine Lösung scheint zunächst zu sein, sich auf diese Personen einzustellen und sie in einer Art manipulativem Spiel auszumanövrieren, d. h. ihre eingeschränkte Wahrnehmung dazu zu nutzen, sie in der Spur zu halten ohne dass dies von ihnen bemerkt wird. Dies funktioniert leider nur zeitweise, ist extrem anstrengend sowie nervtötent für alle Beteiligten.
Leider bin ich diesem Phänomen gegenüber bis heute eher ratlos. Was meint ihr? Irgendwelche Ideen, Lösungsansätze, Meinungen? Gerne könnt ihr auch eure eigenen Erfahrungen mit solchen Leuten posten; ihr wisst ja: geteiltes Leid ist halbes Leid.